Übersicht über die Deutsche Ökonomik
Diese Studie analysiert das Profil der deutschen Volkswirtschaftslehre im Vergleich zu dem in den USA und zeigt zukünftige Entwicklungstendenzen in der deutschen Ökonomie auf.
Die vergleichende Untersuchung zeigt, dass während das Forschungsprofil in beiden Ländern weitgehend homogenisiert ist, v. a. auf der Ebene des wirtschaftspolitischen Wirkungsspektrums länderspezifische Unterschiede identifiziert, die auf einen deutschen Sonderweg in der Wirtschaftspolitik hinweisen.
Die empirische Analyse basiert auf einer Vollerhebung derzeit in Deutschland tätiger Universitätsprofessor_innen im Fach Ökonomie sowie einer Stichprobe von US-amerikanischen Ökononomieprofessor_innen mit äquivalentem Umfang. In Summe wurden in der Erhebung 1139 VWL-Professor_innen an 102 verschiedenen Standorten erfasst.
Hierfür wurden die derzeit tätigen VWL-Universitätsprofessor_innen in Deutschland (Vollerhebung) und den USA (Stichprobe) mittels einer indikatorenbasierten Typologisierung im Hinblick auf ihr Forschungsprofil sowie auf ihr akademisches und außeruniversitäres Wirkungsspektrum untersucht.
Die soziodemografischen Ergebnisse belegen einen geringen Frauenanteil (13,36% Deutschland, 12,81% USA).
Geschlechterverhältnis der Professor_innen in den Deutschlnd (n= 569) und USA (n= 570)
Die Forschungslandschaft zeigt in beiden Ländern eine mehrheitlich mikroökonomische Ausrichtung. Im Unterschied zu Deutschland bildet das Feld der Finanzwissenschaft in den USA eine Randerscheinung. Etwa 20% aller Professor_innen weisen in ihrer Forschungstätigkeit einen Krisenbezug auf. Dieser Anteil ist im Teilgebiet der Makroökonomie sowie bei heterodoxen Forscher_innen deutlich höher.
Vokswirtschaftliches Teilgebiet | Gesamt | Prozent Krisenbezug | |
---|---|---|---|
Deutschland | Makroökonomie | 107 | 52,34% |
Themenübergreifend | 92 | 23,91% | |
Finanzwissenschaft | 42 | 16,67% | |
Mikroökonomie | 292 | 6,16% | |
Ökonometrie und Statistik | 35 | 0,00% | |
Gesamt | 568 | 18,13% | |
USA | Makroökonomie | 102 | 53,73% |
Themenübergreifend | 92 | 21,74% | |
Finanzwissenschaft | 14 | 21,43% | |
Mikroökonomie | 304 | 8,88% | |
Ökonometrie und Statistik | 52 | 7,69% | |
Gesamt | 564 | 21,10% |
In beiden Ländern wurden mehr als 90% der Professor_innen wurden dem neoklassischen Mainstream sowie 4%-5% dem Pluralen Mainstream zugewiesen. Nur 3% der Deutschen sowie 0.5% der US-amerikanischen ÖkonomInnen wurden der Heterodoxie zugewiesen.
Innerhalb des Mainstreams gibt es eine begrenzte inhaltliche/methodische Weiterentwicklung. Die ordoliberale Tradition ist ein zentrales Alleinstellungsmerkmal der deutschen VWL, etwa 8% der Professor_innen in Deutschland haben einen Bezug zum Ordoliberalismus.
Die Mainstreamorientierung ist an großen renommierten Universitäten besonders stark ausgeprägt. Alternativ/heterodox ausgerichtete Forschungseinheiten existieren vorwiegend an kleineren Universitätsstandorten.
M-H-Klassifizierung | Gesamt | Prozent Krisenbezug | |
---|---|---|---|
Deutschland | Heterodoxie | 17 | 47,06% |
Pluraler Mainstream | 30 | 20,00% | |
Mainstream | 513 | 17,35% | |
Gesamt | 560 | 18,39% | |
USA | Heterodoxie | 3 | 66,67% |
Pluraler Mainstream | 31 | 29,53% | |
Mainstream | 526 | 20,53% | |
Gesamt | 560 | 21,25% |
Die institutionelle Struktur der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung zeigt deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und den USA auf.
Im außerakademischen Bereich besitzen Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland im Vergleich zu den USA eine größere Bedeutung. Auf politisch-ideologischer Ebene bietet in Deutschland das Engagement von Ökonom_innen in ordo- bzw. neoliberalen Think-Tanks eine Erklärung für den deutschen Sonderweg in der EU-Krisenpolitik. In US-amerikanischen Think-Tank-Netzwerken gibt es ein Machtungleich-gewicht zugunsten konservativ-libertär orientierter Vereinigungen.
Außerakademische Vernetzung von Ökonom_innen (n=569) an deutschen Universitäten. Angezeigt sind nur Institutionen mit mindestens zwei Nennungen. Eigene Darstellung.
Außerakademische Vernetzung von Ökonom_innen (n=570) an US-amerikanischen Universitäten. Angezeigt sind nur Institutionen mit mindestens drei Nennungen. Eigene Darstellung.
In den USA existiert im medial-politischen Bereich eine Blockbildung aus demokratisch und republikanisch orientierten Ökonom_innen, wobei die erste Gruppe über ein Übergewicht verfügt.
Unterstützung öffentlicher Briefe und politische Wahlempfehlungen durch von in Beratungsgremien (CEA, NEC, CBO) (ehemals) aktiven Ökonom_innen. Rot = von republikanischen Präsidenten nominiert; blau = von demokratischen Präsidenten nominiert; schwarz = unabhängig. Eigene Darstellung.
In Deutschland sind die zentralen Beratungsgremien (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wissenschaftliche Beiräte beim BMF und beim BMWi) politisch unabhängig; personelle Erneuerungen in der Zusammensetzung dieser Gremien gibt es im Vergleich zu den USA weit seltener. In den USA sind zentrale Beratungsgremien (Council of Economic Advisers, National Economic Council) direkt dem Präsidenten unterstellt.. Zudem gibt es in den USA mit dem Congressional Budget Office – im Gegensatz zu Deutschland – auf Ebene der Legislative ein sehr wichtiges, medial geschätztes Beratungsorgan.
Die deutschen ökonomischen Beratungsgremien weisen auf Personenebene eine ausgeprägte ordoliberale Schlagseite auf. So sind 46% der diesen Gremien angehörenden Ökonom_innen mit ordo- bzw. neoliberalen Institutionen verbunden. Verbindungen zu keynesianisch-alternativen Institutionen bestehen hingegen kaum. Für US-amerikanische wirtschaftspolitische Beratungsgremien ergibt sich bezüglich der politisch-ideolgischen Verortung der dort vertretenen Ökonom_innen ein ausgeglicheneres Bild. Einerseits gibt es mit Fokus auf öffentliche Briefe und Wahlempfehlungen ebenfalls eine Blockbildung mit leichter demokratischer Schlagseite. Andererseits besteht hinsichtlich der Verbindungen zu wirtschaftspolitischen Think-Tanks auch hier ein Ungleichgewicht zugunsten konservativer und libertärer Think-Tanks.
Verbindungen von in wirtschaftswissenschaftlichen Beratungsgremien (ehe-mals) aktiven Ökonom_innen zu neoliberalen und keynesianisch-alternativen advokatorischen Think-Tanks und Institutionen. Eigene Darstellung.
Verbindungen von in US-Beratungsgremien (ehemals) aktiven Ökonom_innen zu wirtschaftspolitischen Think-Tanks. Quelle: Rot = von republikanischen Präsidenten nominiert; blau = von demokratischen Präsidenten nominiert; schwarz = unabhängig. Eigene Darstellung.
Leiter des Instituts für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE) sowie Assistent am Institut für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Johannes Kepler Universität Linz.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE) der Johannes Kepler Universität Linz
Post-Doc am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE) der Johannes Kepler Universität Linz
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE) der Johannes Kepler Universität Linz